Vom Vater zum Lerntrainer.
Ein ungerader Weg.

Teil 1

1996.

Wir holen unsere Tochter von der Schule ab.

Die Lehrerin spricht uns an.

„Mit eurer Tochter läuft es gerade nicht so.“
„Sie kommt nicht so gut mit, wie die anderen.“
„Besonders beim Schreiben fällt es auf.“
„Vielleicht hat sie ja sogar LRS.“

Puuh.

Das hat einen Moment gedauert, bis wir das verdaut hatten.

Auf dem Weg nach Hause…

„L R was?“

Ja genau: Wir wussten damals noch nicht einmal, was diese Abkürzung überhaupt bedeutet.


L. R. S.
Lese-Rechtschreib-Schwäche.


Wir waren erst mal total überrascht.
Verstanden die Welt nicht mehr.

Meine älteste Tochter hatte bei der gleichen Lehrerin die Grundschule besucht.
Und völlig problemlos Lesen und Schreiben gelernt.
Und bei der Tochter meiner Frau klappte das nicht?

Du hast es schon mitbekommen:
Patchwork-Familie.
So heißt das heute in Neu-Deutsch. 

Ich weiß noch genau, wie durcheinander wir waren.
"Was machen wir denn jetzt?"

Wir haben damit angefangen, alle möglichen Informationen zu sammeln.
Dazu muss ich jetzt erwähnen, dass es damals im Internet noch nicht dieses - heute beinahe unüberschaubare - Angebot gab.
Im Internet war damals wenig bis gar nichts zu finden.

Also haben wir Bücher gekauft.
Mit anderen Eltern gesprochen.
Lehrer, die wir kannten, befragt.
Spannend war, dass jeder offenbar etwas anderes wusste ...

Mich hat dieser ganze Bereich von Anbeginn an fasziniert.
Das kann ich nur so beschreiben.
Hauptberuflich war ich damals schon in der Erwachsenenbildung tätig.
Und da lag für mich die Frage nahe:
"Warum lernt die eine problemlos - und die andere nicht?"

Heute weiß ich die Antwort.
Und die ist auch echt simpel.
Aber gerade auf die simplen Lösungen kommt man ja oft nicht gleich.

Informationsbeschaffung

Damals haben wir alles mögliche versucht.
Haben diverse Therapeuten kontaktiert.
Ich habe mit Buchautoren telefoniert.
Unendlich viele Vorträge angehört.
Jede Menge Seminare zu dem Thema besucht.
An Fortbildungen teilgenommen.

Manchmal hatte ich dabei ein echt komisches Gefühl:
Da saß ich unter "ausgebildeten Therapeuten".
Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten.
Da waren auch Ärzte.
Ja sogar Professoren.
Also „Wohlfühlen“ ist anders…

Ich habe mir mehr als einmal die Frage gestellt:
Was mache ich hier?
Steht mir das überhaupt zu?

Dann habe ich mich selbst beruhigt:
Ich suche ja schließlich nur eine Lösung für unsere Tochter.
Das war sozusagen meine innere Rechtfertigung.
Kannst du das nachvollziehen?

Eine Erfahrung war für mich echt bemerkenswert:
Fachbücher bringen es nicht!
Zumindest mir nicht.

Lass mich das kurz erklären:
Ich hatte ein wirklich interessantes Buch gelesen.
Und glaubte, ich hätte verstanden, was drin steht.
Aber weit gefehlt:
Wenige Wochen später konnte ich bei dem Autor dieses Buches ein Seminar besuchen.
Das war für mich ein echtes Aha-Erlebnis.
Auf dem Seminar hat der gute Mann nichts anderes getan, als den Inhalt seines Buches zu präsentieren.
Aber erst da habe ich die Zusammenhänge dann auch begriffen ... 

Das war eine der besten Lernerfahrungen, die ich je gemacht habe.

Ich habe vorhin beschrieben, wie unwohl ich mich manchmal unter all den ausgebildeten Therapeuten fühlte.

Recht schnell realisierte ich aber auch etwas ganz anderes:

Von der gesamten Thematik rund um LRS hatten die meisten noch weniger Ahnung, als ich.

Ein Moment ist mir bis heute in Erinnerung:
Als ich einer Ergotherapeutin in einer Seminar-Pause Zusammenhänge erklären durfte…
Die gute Frau war wirklich interessiert. 
Und echt dankbar.
Mir.
Ich war erstaunt.

Wenn du das jetzt so liest, musst du den Eindruck gewinnen, ich hätte in der Zeit gar nichts anderes gemacht.
Ich habe aber damals meinen Job in der Erwachsenenbildung gemacht. Und mein gesamtes Engagement im LRS-Bereich fand ausschließlich nebenberuflich statt.
Also vorzugsweise Abends oder an Wochenenden.

Was sich hier jetzt so locker liest, verteilte sich auf einen Zeitraum von etwa 1 bis 2 Jahren. So ungefähr.
Ganz genau kann ich das heute gar nicht mehr sagen.
Ich habe auf diesem Weg eine Fülle von Behandlungsmethoden kennen gelernt.
Manches klang anfangs wirklich vielversprechend.
Anderes war mir von vorne herein eher suspekt.

Beides hat mich aber nie davon abgehalten, mir die jeweiligen Methoden zumindest mal anzuschauen.
Dabei lernte ich eine unglaublich breite Palette kennen.
Manche Methoden klangen zuerst gut - erwiesen sich aber recht schnell als "Hokuspokus".
Umgekehrt gab es das auch. 
Allerdings seltener.

Kurz:
Ich habe eine ganze Menge Mist kennengelernt.
Aber auch jede Menge Gutes.

Was mir auffiel:
Es gab beinahe in jeder Methode Ansätze, die mich überzeugten.
Aber irgendwie hatte die noch niemand sinnvoll miteinander kombiniert.

Nein, nein.
Damals war noch kein Gedanke an ein eigenes Lernprogramm in mir.
So weit war ich noch lange nicht.

Etwas anderes stand für mich damals im Vordergrund:
Ich war erstaunt darüber, wie wenig Wissen an unseren Schulen zu der Problematik LRS vorhanden ist.
Das wollte ich unbedingt verändern.

Ich war damals wesentlich an der Gründung eines Vereins beteiligt.
Der „Lernen zu Lernen e.V.“ sollte eine Plattform werden, die Informationen zu LRS an Schulen, Eltern, Ministerien und an die Öffentlichkeit trägt.
Das war damals meine Triebfeder.

Auch da könnte ich noch eine Menge erzählen.
Von Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern.
Von Gesprächen mit Schulleiter/innen.
Von Besuchen im Kultusministerium.
Von unglaublich starkem Interesse.
Aber auch von Ablehnung.
Letzteres besonders von Seiten der Politik. ;-)

Der Verein war eine gute Plattform.
Aber wirkliche Ergebnisse erzielten wir nur, wenn wir vor Ort Informations-Abende veranstalteten.
Da hatten wir immer wirklich gute Resonanz.
Wir erreichten Menschen.
Betroffene Eltern.
Viele Lehrkräfte.
Besonders aus dem sonderpädagogischen Bereich.

Mich erreichten - auch durch diese Info-Abende - jede Menge Anfragen, ob ich nicht einzelnen Kindern ganz praktisch helfen könne…

Braucht man eine Ausbildung als Lerntrainer?

Eine fatale Situation.
Und offen gesagt:
In mir war immer noch dieses Denken, dass ich ja gar keine â€žrichtige Ausbildung“ als Therapeut habe.
Soll ich da wirklich so dreist sein, Trainings mit Kindern anzubieten?
Das bringt ja auch eine riesige Verantwortung mit sich…

Und für mich war damals vordergründig erst einmal wichtig, unserer Tochter zu helfen.
Mit unserer Tochter habe ich nämlich viel ausprobiert.
Und heute kann ich sagen: Beinahe zu viel.
Das war mir damals aber keineswegs klar.

Ich möchte aber auch nicht verschweigen, was passieren kann, wenn man blöden Ideen hinterher läuft:
(Genau das habe ich nämlich gemacht...)

Wir haben unsere Tochter dabei beinahe übersehen.
Wenn mich eine Methode überzeugt hat, dann habe ich die mit unserer Tochter natürlich auch ausprobiert.
Ist doch naheliegend...
Und oft habe ich echt lange gebraucht, um zu merken, dass es ihr nicht wirklich hilft.

Was ich daraus lernen durfte?
Heute weiß ich, dass Kinder das schneller klar haben.
Wenn etwas nicht klappt - dann checken die das sofort.
Sie sind dann auch konsequent: Sie hören einfach auf damit.
Ich war damals langsamer.
Ich habe einfach länger gebraucht.
Das gab ein ganz schönes Konfliktpotential.

Ich weiß heute nicht mehr genau, wie viele verschiedene Ansätze wir damals verfolgt haben.
Aber ich weiß noch ganz genau, dass es beinahe zu viele waren.

Die Einstellung unserer Tochter veränderte sich nämlich zusehends.
Anfangs war sie sicherlich auch ganz angetan.
Ich hatte ihr natürlich gesagt, dass ich da etwas kenne, mit dem für sie das Lernen einfacher wird.
Aber jedes Mal, wenn es sich dann nicht als erfolgreich erwies, ging ihre Motivation immer mehr flöten.

Aus heutiger Sicht kann ich sagen:
Das war ganz schön knapp damals.

Immer, wenn ich das Gefühl hatte, dass eine Methode etwas bringen kann … habe ich das mit ihr ausprobiert.
Am Anfang hat sie da gerne mitgemacht.
Nur leider hat nicht alles auch funktioniert.
Also haben wir das nächste probiert.
Du merkst schon, wozu das führt, oder?

Wir haben nämlich gerade noch rechtzeitig dieses "Visuelle Lernen" entdeckt.

Die Lösung

Was dann geschah, war wirklich sensationell!
Für uns beide.
Sie war überrascht.
Und ich mindestens genauso.

Wörter, die wir miteinander geübt hatten, blieben im Kopf.

Und zwar nicht nur bis morgen.
Und nicht nur bis übermorgen.
Und auch nicht nur bis zum nächsten Diktat.

Nein:
Geübte Wörter waren auch nach mehreren Tagen oder Wochen problemlos abrufbar!
Das war für uns ein echter Lichtblick!

Natürlich verbesserten sich daraufhin ihre Leistungen in der Schule.
Die Lehrerin hat uns damals angesprochen.
Diesmal war es positiv. ;-)
Sie wollte wissen, was wir denn machen würden.

Und andere Eltern bekamen das auch mit.
Die sprachen uns ebenfalls an.
„Du machst doch was mit eurer Tochter. 
Kannst du das mit unserem Sohn nicht auch mal ausprobieren?“

Jetzt war meine Neugier geweckt.
Ich wollte herausfinden, ob das bei anderen Kindern auch klappt.
Spannend.

Und doch war es oft ganz anders:
Dinge, die bei unserer Tochter super funktioniert hatten, waren für andere Kinder schwierig. Manchmal ging es gar nicht.
Aber auch anders herum: Womit unsere Tochter eher nicht klar kam, das machten andere Kids mit links…

Für mich war das hoch spannend.
Von allen Kindern habe ich unglaublich viel erfahren.
Und gelernt.
Und es wurde nie langweilig.
Es war mit jedem Kind anders.

Irgendwann wurde mir das zu viel.
In Einzelgesprächen Eltern überzeugen.
Hat immer gut funktioniert.
Kostet aber eine Unmenge Zeit.

Da habe ich mich auf meinen Haupt-Job besonnen.
Ich bin Dozent in der Erwachsenenbildung.
Also habe ich Seminare entwickelt.
Meine Idee dahinter:
Ich zeige Eltern auf einem Tagesseminar mit welchen Techniken ihre Kinder ganz leicht lernen können.
Gedacht. Getan.

Interessierte Eltern besuchten meine Seminare.
Die meisten waren wirklich begeistert.
Auch Lehrer verirrten sich dort hin.
Das hat mich dann besonders begeistert.

Die Sache hatte allerdings einen Haken.
Willst du wissen, welchen?

Das verrate ich dir im 2. Teil meiner Geschichte.

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